Zusammenfassung
Das Prostatakarzinom (PCa) ist die häufigste Krebserkrankung des Mannes in Deutschland.
Im Gegensatz zu einer jährlich steigenden Neuerkrankungsrate ist die PCa-spezifische
Sterberate konstant bzw. leicht rückläufig und beträgt aktuell etwa 3 – 4 %. Diese
Entwicklungen sind unter anderem auf die seit Ende der 80er-Jahre im Rahmen der Früherkennung
durchgeführte Blutwertbestimmung des prostataspezifischen Antigens (PSA) und verbesserte
bildgebende Verfahren bzw. Biopsietechniken zurückzuführen. Tatsächlich wird heute
die Mehrzahl der Patienten mit PCa in frühen, organbegrenzten und somit kurativen
Stadien entdeckt. Zu diesen gehören auch die sogenannten „klinisch nicht signifikanten“
Karzinome (Niedrig-Risiko-Karzinome), die aufgrund ihrer wenig aggressiven Tumorbiologie
einen langsamen klinischen Verlauf aufweisen. Daher leiden wenige der davon betroffenen
Patienten im Verlauf der Erkrankung unter krebsspezifischen Beschwerden bzw. versterben
ursächlich am PCa. Im Gegensatz dazu ist jede aktive Therapie (z. B. Operation oder
Bestrahlung) mit spezifischen Risiken (z. B. Inkontinenz, Impotenz, Strahlenzystitis
bzw. -proktitis) behaftet, sodass eine sorgfältige Risiko-Nutzen-Abwägung erfolgen
muss. Die Gründe für die breite Indikation zu einer aktiven Therapie liegen vor allem
in den mangelnden Kenntnissen der Tumorbiologie und der Angst ein Hoch-Risiko-Karzinom
„zu verpassen“. Aktuell gibt es jedoch für das frühe, Niedrig-Risiko-PCa keine Evidenzgrad-1-Empfehlung
hinsichtlich einer bestimmten Therapie. Das Therapiekonzept der so-genannten aktiven
Überwachung (active surveillance [AS]) hat aktuell ein äquivalentes Tumorüberleben
der Niedrig-Risiko-PCa-Patienten gezeigt. Dieses Konzept basiert auf seriellen klinischen
Untersuchungen, die es erlauben, den Patienten über einen Zeitraum zu beobachten,
um bei Veränderung des PCas, z. B. PSA-Anstieg oder Gleason-Score-Progress in den
Kontrollbiopsien, eine aktive Therapie rechtzeitig einzuleiten. Dadurch sollen den
Patienten während des Überwachungszeitraums potenzielle Nebenwirkungen einer aktiven
Therapie erspart und die Rate der Übertherapie minimiert werden. Diese AS-Therapie-Strategie
bietet neben der individuellen auch auf gesellschaftlicher und gesundheits-ökonomischer
Ebene Vorteile.